Herrschaftsverwaltung

Adelige Herrschaftsverwaltung

Die liechtensteinischen Herrschaften Wilfersdorf und Feldsberg, ca. 1600 bis 1848

Wilfersdorf um 1670, Georg Matthäus Vischer, Topographia archiducatus Austriae Inferioris modernae 1672

Wilfersdorf um 1670, Georg Matthäus Vischer, Topographia archiducatus Austriae Inferioris modernae 1672

Die Herrschaften Wilfersdorf und Feldsberg (Valtice) der Familie Liechtenstein im nordöstlichen Niederösterreich, die sich im Besitz der Feldsberger Linie – seit dem 16. Jahrhundert die einzige Linie von Bedeutung – befanden, verfügten seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert über gutsherrschaftliche Elemente, eine starke Marktintegration und fruchtbares Altsiedelland, das agrarwirtschaftlich von Ackerbau, Weinbau und Viehzucht bestimmt war. Im Jahr 1591 wurden die niederösterreichischen und mährischen Dominien unter den Söhnen Hartmanns II. von Liechtenstein, Karl, Maximilian und Gundaker (den Repräsentanten der Feldsberger Linie), aufgeteilt. Karl (1569–1627), der älteste Sohn und seit 1596 Regent des Hauses, erhielt Feldsberg und Herrnbaumgarten in Niederösterreich sowie Eisgrub (Lednice) in Mähren, Maximilian (1578–1643) Rabensburg und Hohenau. An Gundaker (1580–1658) kamen Wilfersdorf und Ringelsdorf. Nach einer „Erbeinigung“ 1606 erreichte Karl die Schaffung eines strikten Familienfideikommisses, demzufolge die so genannten Erstgeburtsgüter mit den übrigen Gütern der Familie eine unveräußerliche und unteilbare Masse im Besitz der drei Brüder und ihrer Nachkommen bildeten. Familienoberhaupt war in Hinkunft der erstgeborene Sohn in der Linie des Primogenitus (Primogeniturerbfolge).

Die relativ straffe Organisation der liechtensteinischen Zentralverwaltung seit Beginn des 17. Jahrhunderts wird unter anderem durch die Tatsache verdeutlicht, dass die Reihe der Rechnungsbücher (Hauptkassarechnungen) der Linie Karls (d.h. der Hauptlinie) im Liechtensteinischen Hausarchiv bereits mit dem Jahr 1604 beginnt. An oberster Stelle der Zentralverwaltung setzten alle drei Brüder Regenten (Oberhauptleute) als Kontrollinstanzen der Beamten der einzelnen Herrschaften und zur Koordinierung der Wirtschaftsverwaltung ein. Deren Aufgabe bestand darin, Missstände abzustellen, Kosten zu minimieren und Einnahmen zu maximieren, außerdem mussten sie darauf achten, dass die Policeyordnung eingehalten wurde. Unter Fürst Karl von Liechtenstein war der Oberhauptmann auch Rat und Mitglied der fürstlichen „Regierung“.

Instruktion für den Oberhauptmann der Herrschaft Feldsberg, 4.11.1625

Instruktion für den Oberhauptmann der Herrschaft Feldsberg, 4.11.1625

Als Chef der Wirtschaftskanzlei des Fürsten Gundaker fungierte neben dem Oberhauptmann der mit der Registratur betraute Buchhalter. Er kontrollierte die Pfleger, Rentschreiber, Burggrafen, Kastner, Kellner und Bäcker der einzelnen Herrschaften, hatte also im Wesentlichen die gleichen Aufgaben wie der Oberhauptmann inne. Beide sollten sich aber offenbar auch gegenseitig kontrollieren, denn sie mussten die Herrschaften und Güter gemeinsam visitieren.

Die wichtigste Person jeder Herrschaft war der Pfleger oder Hauptmann, der über weitgespannte Kenntnisse verfügen musste. Der Wilfersdorfer Pfleger war um 1635 auf eine 100 Punkte umfassende Instruktion vereidigt, zu seinen Aufgaben zählten unter anderem die Kontrolle der Osterbeichte der Untertanen oder die Abhaltung von Verhörtagen mit den (Dorf-) Richtern. Wöchentlich am Samstag mussten alle Beamten und die bei der Herrschaft arbeitenden Handwerker dem Pfleger Bericht über die Arbeiten der abgelaufenen Woche erstatten. Dann wurde über die Arbeiten der kommenden Woche beratschlagt, der Dorfrichter teilte dabei den Befehlen entsprechend die Robot ein. Der Pfleger hatte daraufhin seinen wöchentlichen Bericht an den Oberhauptmann zu verfassen. Eine ebenso wichtige Position übte der Rentschreiber aus. Er sorgte dafür, dass alle Dienste, Zinse, Pacht- und Robotgelder oder Schulden einkassiert wurden. Bis zur Anstellung eigener Kontributionseinnehmer (im ausgehenden 17. Jahrhundert) war er auch für die Einhebung der Steuern zuständig. Die Aufsicht über alle herrschaftlichen Gebäude, Gärten und Wege um das Schloss und deren Instandhaltung führte der Burggraf. In seiner Kompetenz lag es auch, die in den herrschaftlichen Wirtschaftsbetrieben tätigen Handwerker zu kontrollieren, er musste wie der Rentmeister halbjährlich Rechnung legen. Dem Pfleger direkt unterstellt war der Kastner, der mit der Aufsicht über den herrschaftlichen Getreidekasten betraut war. Ebenso dem Pfleger unterstellt war der Kellner, Herr über den Weinkeller der Herrschaft. Für die herrschaftliche Viehzucht zeichneten der Meier und seine Frau verantwortlich, die sowohl dem Pfleger als auch dem Burggrafen unterstellt waren. Daneben gab es noch den Pfister, zuständig für die herrschaftliche Bäckerei, den Müller und den Bräuer, letztere zwei unterstanden direkt dem Pfleger.

Fürst Gundaker kann wohl mit Recht als der erfolgreichste „Manager“ der drei liechtensteinischen Brüder betrachtet werden, er verstand es, seine Güter ökonomisch vorteilhaft zu verwalten und zu organisieren. Seine Wirtschaftsgrundsätze hatten Vorbildwirkung für die nächsten zwei Generationen sowohl seiner als auch der Karlischen Linie der Familie. Gundakers Enkel Anton Florian (1656–1721, seit 1712 „Regierer und Chef des Hauses“), der alle liechtensteinischen Majorate in einer Hand vereinigte, erließ 1717 eine Instruktion für seinen Oberbuchhalter, Rait- und Wirtschaftsrat (dessen Sitz sich in Mährisch-Kromau [Moravský Krumlov] befand), die weitgehend mit den Instruktionen seines Großvaters von 1633 und 1635 übereinstimmt und nur geringfügige Erweiterungen enthält.

Feldsberg um 1670, Georg Matthäus Vischer, Topographia archiducatus Austriae Inferioris modernae 1672

Feldsberg um 1670, Georg Matthäus Vischer, Topographia archiducatus Austriae Inferioris modernae 1672

Fürst Alois I. (1759–1805, seit 1781 Regent) teilte seine Herrschaften 1787 in vier „Inspectorat-Ämter“ ein. Motiviert war diese „Wirtschafts-Reform“ durch die Absicht, seine Herrschaften besser zu kontrollieren und sowohl sein „Privat-Wohl“ als auch jenes seiner Untertanen und Beamten zu fördern (zum Vorteil auch des Staates). Im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert waren die insgesamt 32 liechtensteinischen Herrschaften stets in vier oder fünf Inspektionsbezirke zusammengefasst, als Inspektoren wurden gewöhnlich erfahrene Herrschaftsbeamte eingesetzt.